Gründung in Halberstadt
Auslieferungslager in Braunschweig
Unternehmenseintrag im Handelsregister Braunschweig
Umzug in die Broitzemer Straße Braunschweig
Friedrich Wilhelm Kehr wird Eigentümer
Umzug in die Blumenstraße Braunschweig
Eröffnung Filiale Wolfsburg
Ulrich Kehr übernimmt Geschäftsführung
Hanns-Heinrich Kehr wird zweiter Geschäftsführer
Umzug in die Sudetenstraße Braunschweig
Integration der Filiale Wolfsburg in Braunschweig
Hanns-Heinrich Kehr Geschäftsführer PHARMA PRIVAT
Gründung Kehr Holdermann in Dessau
Erweiterung und Neuorganisation Standort Braunschweig
Neue Niederlassung Kehr Berlin in Ludwigsfelde
Modernisierung Standort Kehr Berlin
Stefanie Kehr wird Abteilungsleiterin in Braunschweig
Modernisierung Standort Kehr Braunschweig
100 Jahre Kehr
Ein Mann mit Mut und Weitblick
Richard Kehr (1878 –1950) war in den sogenannten „Goldenen Zwanzigern“ des vergangenen Jahrhunderts ein mutiger Mann und voller Tatendrang. Im Alter von 46 Jahren wagte er im Jahr 1924 den Schritt in die Selbstständigkeit und wurde Teilhaber an der Johanna Azalino KG in Halberstadt. Es war der Startschuss dafür, dass in diesem Jahr 100 Jahre Richard Kehr GmbH & Co KG gefeiert werden können. 1924 endeten die lähmenden Jahre der Nachkriegszeit und der Hyperinflation, und der Aufschwung war überall zu spüren. Die Azalino KG produzierte Arzneimittel: „Schmerz lass nach“ gegen Kopfschmerzen oder auch „Pedinova“, eine Salbe zur Fußpflege. Beide Produkte waren später auch noch in der DDR bekannt.
Wandel zum pharmazeutischen Großhandel
Richard Kehr setzte nicht auf die Herstellung von Medikamenten, sondern erkannte die Notwendigkeit, die immer weiter zunehmende Zahl von Fertigarzneimitteln an Apotheken zu vertreiben. Er konzentrierte die Azalino KG auf den pharmazeutischen Großhandel. Der Wandel vollzog sich schnell – Apotheken stellten in den 1920er Jahren immer noch in kleinen Chargen selbst her, kauften aber bereits die Arzneimittel, auch „Spezialitäten“ genannt, von ihrem lokalen Großhandel. Der Grundstein der heutigen Richard Kehr GmbH & Co. KG Pharmazeutische Großhandlung war gelegt.
Erfolg trotz der Weltwirtschaftskrise
Den Namen Richard Kehr führt das Unternehmen seit 1932. In diesem Jahr zahlte der damals 54-jährige die übrigen Kommanditisten aus und überführte die Johanna Azalino KG schrittweise zu dem heutigen Namen. Und das mitten in der Weltwirtschaftskrise mit dramatischen Arbeitslosenzahlen im Deutschen Reich! Der Depression an den Börsen und den drohenden dunklen Wolken zum Trotz schrieb Richard Kehr seine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte weiter. Seither ist Kehr, mittlerweile in vierter Generation, im Wandel der Zeiten mit Höhen und Tiefen, ein prosperierendes Familienunternehmen.
Der Chef war sozial und fordernd
Die Mitarbeiter respektierten ihren sozialen, aber auch fordernden Chef aus voller Überzeugung. Zum Jahreswechsel 1936/37 schrieb Richard Kehr seinen Mitarbeitern in Gedichtform. Ein Zeitdokument:
„Ein Jahr des Aufstiegs geht zu Ende / Nun heißt`s nicht müßig unsre Hände, / beschaulich feiernd, auszuruhn; / Gewaltiges bleibt noch zu tun. / Die Faust sitzt uns noch im Nacken, / drum gilt es feste anzupacken. / Wenn alle frisch die Hände regen, gibt auch der Höchste seinen Segen. / Dir deutsches Volk, so mutig. Treu und fleißig / hol über: ein gesegnet Siebenunddreißig“.
Gemeinschaftshaus für die Angestellten
Richard Kehr war ein Patriarch im besten Sinne. Sein Äußeres entsprach dem Bild, das wir uns heute von so einem sympathischen und fürsorglichen Unternehmer in jenen Tagen machen: Immer im Anzug, Weste und Krawatte, selten ohne Zigarre. Unter anderem errichtete er ein Gemeinschaftshaus, in dem seine Angestellten wohnen konnten. Sogar eine Bibliothek gab es dort.
1937 schon 18 Mitarbeiter
Aus dem Jahr 1937 existiert noch ein Foto, das bereits 18 Mitarbeiter stolz vor einem motorisierten Dreirad zeigt. Es ist Ausdruck von Selbstbewusstsein und Erfolg. Mit dem Lastwagen wurden die Drogen – Blätter, Blüten, Wurzeln – sowie andere Grund und Wirkstoffe, die man zur Herstellung von Medikamenten benötigte in Halberstadt und Umgebung an die Apotheken ausgeliefert. Seinerzeit wurden noch die meisten Medikamente in den Apotheken selbst hergestellt. Die ersten Jahre waren die Apotheken noch mit Pferdefuhrwerken beliefert worden. Richard Kehr setzte als zukunftsgewandter Unternehmer früh auf die Motorisierung und auf etwas, das noch gar nicht erfunden war: auf das Marketing.
Freundliche Fotos als frühes Marketing
Weil schon damals das Geschäftsgebiet der Pharmazeutischen Großhandlung bis Berlin und bis zur Weser reichte, wurden die meisten Waren von Halberstadt aus per Bahnexpress verschickt. Um den Kontakt zu den Kunden, die bereits telefonisch bestellten, persönlicher zu gestalten und sie enger an das Unternehmen zu binden, versandte Richard Kehr einen Briefbogen mit den überaus freundlichen Fotos der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fakturen-Abteilung. Es waren Herr Braune, Herr Kleemann, Fräulein Ursula Maass, Fräulein Leni Bahn und Fräulein Anneliese Trempenau. Dazu stand geschrieben: „Du hörst wohl, doch Du siehst mich nicht. / Dass jeder weiß, mit wem er spricht, / zeig ich Dir mein Angesicht.“ Seither gehört der enge und vertrauensvolle Kontakt zur Erfolgsgeschichte der Pharmazeutische Großhandlung Richard Kehr.
Vernichtender Bombentreffer am 8. April 1945
Das Ende des Zweiten Weltkriegs bedeutete auch für die Pharmazeutische Großhandlung Richard Kehr die Stunde null. Der Halberstädter Betrieb war kurz vor Kriegsende noch vollständig zerrstört worden. Am 8. April 1945 ereignete sich der verheerende Bombentreffer. „Zum Glück“ an einem Sonntag, denn so gab es wenigstens keine Verwundeten oder gar Tote im Betrieb zu beklagen, aber das Gebäude war nicht mehr nutzbar. Richard Kehr führte die Geschäfte dennoch behelfsmäßig in der Nachbarschaft, allerdings unter russischer Aufsicht, fort. Seine vagen Hoffnungen auf eine gute Zukunft erhielten nach kurzzeitiger Übergabe Halberstadts an die Engländer einen folgenschweren Dämpfer: Sachsen-Anhalt wurde mit dem Potsdamer Abkommen im Tausch gegen West-Berlin dem Sowjetischen Sektor zugeschlagen und damit war die Firma in Gefahr.
Startkapital war im Mantel eingenäht
Firmeninhaber Richard Kehr musste in Halberstadt täglich mit der Enteignung durch die Behörden in der sowjetischen Besatzungszone rechnen. Deswegen kam er auf die Idee, auch einen pharmazeutischen Großhandel in der britischen Besatzungszone aufzubauen. Er beauftragte seinen aus Kriegsgefangenschaft zurückgekehrten Mitarbeiter Helmut Schmidt, in Braunschweig ein neues Auslieferungslager zu errichten. Das dafür erforderliche Startkapital schmuggelte Helmut Schmidt, eingenäht in seinem Mantel, über die Grenze. Am 13. November 1945 erhielt er die Betriebserlaubnis für den Start in Braunschweig. Mit an Bord war Fräulein Reckling. Sie hatte während der ersten Kriegsjahre in der zwischenzeitlichen Filiale in Dnipropetrowsk/Ukraine wichtige Aufbauarbeiten geleistet. Auch diesmal packte sie tatkräftig mit an und half, die ersten Regale aus alten Dachlatten zusammenzuzimmern. Mit Pferdewagen wurden vom Bunker in Melverode aus die ersten 14 Apotheken beliefert. Was lange befürchtet worden war, wurde 1949 schließlich Realität: Der Betrieb in Halberstadt wurde enteignet. Richard Kehr starb nur wenige Monate später, doch die Erfolgsgeschichte ging von Braunschweig aus weiter…
Mit dem Holzvergaser unterwegs zu Lieferanten
Nachdem Helmut Schmidt gemeinsam mit seiner inzwischen Ehefrau Else, geborene Reckling unter größtem Einsatz erste Strukturen aufgebaut hatten, wurde die „Richard Kehr, Pharmazeutische Großhandlung“ 1946 ins Handelsregister Braunschweig eingetragen. Danach ging es darum, Waren zu beschaffen und vor allem wirtschaftlich bergauf. Wegen des Treibstoffmangels fuhr Helmut Schmidt dank einer Sondergenehmigung der Briten mit einem Holzvergaser zu den Lieferanten. Da ging einiges an Ladevolumen verloren, weil säckeweise Holzschnitzel mit an Bord mussten, um alle 50 Kilometer „nachtanken“ zu können. Wichtiger Lieferant war u.a. die damalige I. G. Farbenindustrie AG, die nach der Zerstörung in Hannover in Holzminden ansässig waren. Es ging vor allem um den Ankauf von Heilpflanzen, Tinkturen und Salbengrundlagen, weil die Apotheken noch viele Arzneien selbst herstellten. Entscheidend für den ersten Erfolg waren aber auch Waren aus der „Ostzone“, aus der Arzneimittelproduktion in Jena und Dresden. Sie wurden in „Nacht- und Nebelaktionen“ bei Söllingen/Landkreis Helmstedt mit Genehmigung des Braunschweigischen Staatsministeriums über die damals noch recht durchlässige deutsch-deutsche Grenze geschleust. Im Gegenzug erhielt Kehr in Halberstadt West-Ware. Die Apotheken nahmen in jenen Tagen dies und jenseits der Grenze bis 1947 quasi alles ab, was geliefert werden konnte.
„Eilt es sehr, dann Richard Kehr“
Schnell hatte sich auch außerhalb Braunschweigs herumgesprochen, dass die Firma Kehr Ware liefern konnte. Der Slogan der Vorkriegsjahre „Eilt es sehr, dann Richard Kehr“ war bald wieder in aller Munde. Die Landapotheken hatten zur Warenbeschaffung nahezu ausnahmslos Fahrzeuge erhalten und fuhren täglich im Auslieferungslager Melverode vor. Und statt des Pferdefuhrwerks lieferte mittlerweile ein Fuhrunternehmer mit einem alten Opel-Blitz für Kehr die Waren in der Stadt und der näheren Umgebung aus. Außerdem hatte der Fahrzeughersteller Heinrich Büssing wieder begonnen, kleinere Lastwagen herzustellen. Die ersten Fahrzeuge wurden an Opfer des Faschismus ausgeliefert. Darunter waren auch zwei weitere Fuhrunternehmer, mit denen Kehr bis zur Währungsreform zusammenarbeitete. Das Geschäftsgebiet reichte bis zur Weser. Im Frühjahr 1948 kehrte Juniorchef Friedrich Wilhelm Kehr nach elf Jahren mit Arbeitsdienst, Wehrmacht, Krieg und Gefangenschaft in den Betrieb zurück und übernahm die Braunschweiger Firma. Nach dem Tod seines Vaters erbte er den Betrieb gemeinsam mit seiner Schwester.
Neue Generation in Führungsebene
Von seinen Zukunftsvisionen und dem „Wirtschaftwunder“ profierte das Unternehmen nachhaltig.
Kehr erwirbt eigenen Firmensitz
Für Friedrich Wilhelm Kehr stand von Anfang an fest, dass das wachsende Unternehmen so schnell wie möglich den Bunker Melverode verlassen musste. Mit der Währungsreform 1948 begann der Plan, Realität zu werden. Die Pharmazeutische Großhandlung Richard Kehr zog 1950 in gemietete neue Räume in der Broitzemer Straße (heute Hochschule für Bildende Künste, HBK). Lagersortiment und Fuhrpark wuchsen aber eben so schnell wie die Belegschaft, so dass bereits 1955 der nächste Umzug anstand. Das „Wirtschaftswunder“ hatte die Pharmazeutische Großhandlung Richard Kehr voll erfasst. Friedrich Wilhelm Kehr entschied eigene Räume zu erwerben. Das Gebäude in der Blumenstraße 36, in dem sich heute auch die HBK befindet, war wie geschaffen für den nächsten Schritt des Unternehmens. Die Mitarbeiterzahl stieg von 32 im Jahr 1949 auf 76 im Jahr 1953, der Umsatz im gleichen Zeitraum von 1,7 Millionen D-Mark auf 6,3 Millionen D-Mark. Und ein Ende der Expansion war nicht in Sicht.
Weiterer Aufschwung durch neues Apothekenrecht
Einen weiteren großen Aufschwung gab es von 1958 an, weil ein neues Apothekenrecht die Niederlassungsfreiheit der Apotheker regelte. Die Folge waren sehr viele Neugründungen von Apotheken. Bei der Finanzierung half seinerzeit Friedrich Wilhelm Kehr und gewann so viele Neukunden. Mit dem Umzug in die Blumenstraße ging technischer Fortschritt einher, der das schnelle Wachstum des Großhandelsunternehmens erst möglich machte. Aufträge wurden mittlerweile telefonisch aufgegeben und konnten schnell abgearbeitet werden. Es gab erstmals eine direkte Sprechverbindung ins Lager und damit konnten Bestandszusagen direkt, während des Telefonats gemacht werden. Schon 1960 waren Erweiterungen für das Lager und den Fuhrpark erforderlich. Kehr belieferte mittlerweile Apotheken in ganz Niedersachsen.
Mit dem ersten Computer noch effektiver
Die Erfolgsgeschichte der Pharmazeutischen Großhandlung Richard Kehr ging unaufhörlich weiter. Weil Lager und Fuhrpark am Standort Blumenstraße ausgereizt waren, investierte das Unternehmen in Wolfsburg und baute dort für eine Million D-Mark ein neues Auslieferungslager zur Entlastung des Hauptsitzes. Zweimal täglich musste bis dato ein Lieferwagen von Braunschweig nach Wolfsburg fahren, um die dortigen 15 Apotheken in Stadt und Umland zu versorgen. Mit der Inbetriebnahme der Außenstelle in der Grauhorststraße 1 am 15. Januar 1965 hatte das ein Ende. In dem Auslieferungslager fanden 15.000 Präparate von rund 600 Herstellern der Arzneimittelindustrie Platz. Ein Jahr später sorgte der Einsatz eines ersten Computers mit Lochkarten für noch mehr Effizienz. Mit den rund 60 Mitarbeitern in Wolfsburg wuchs die Belegschaft bis 1970 auf mehr insgesamt als 260 Mitarbeiter und der Umsatz auf über 36 Millionen D-Mark.
Für ein Tor gab es eine Flasche Cognac
Friedrich Wilhelm Kehr war, wie wohl die meisten Braunschweiger, spätestens seit Einführung der Bundesliga zur Fußballsaison 1963/1964 Fan der Eintracht, heute würde man wohl sagen Sponsor, wenngleich Kehr nie öffentlich als Förderer zutage trat. Damals mussten die Eintracht-Spieler noch einer Halbtagsbeschäftigung nachgehen. Vollprofis gab es wohl in Köln, aber nicht bei Eintracht. Die beiden Flügelstürmer Klaus Gerwien und Erich Maas der späteren Meistermannschaft von 1967 waren bereits Angestellte als sich mit Michael Polywka noch ein dritter Spieler hinzugesellte. Die Flucht des Mittelfeldspielers des FC Carl Zeiss Jena während eines Intertoto-Spiels im Sommer 1966 in Braunschweig wurde auch mit durch die Zusage einer Anstellung bei Kehr ermöglicht. Nicht jedes Engagement von Friedrich Wilhelm Kehr wurde bei den Eintracht-Verantwortlichen goutiert, denn für ein erzieltes Tor gab es auch schon mal eine Flasche Cognac für den Torschützen.
Früher Grundstein für die nächste Generation
Friedrich Wilhelm Kehr war ein weitsichtiger Mann. Er legte bereits 1971 den wirtschaftlichen Grundstein für den Übergang des Unternehmens auf die nachfolgende Generation. Er wandelte die „Richard Kehr Pharmazeutische Großhandlung“ von einer Einzelfirma, so war sie 1946 in Braunschweig ins Handelsregister eingetragen worden, um in eine Kommanditgesellschaft. Hauptgesellschafter war er selbst mit 55 Prozent. Seinen Kindern Ulrich (damals 20 Jahre alt), Annette (17) und Hanns-Heinrich (15) überschrieb er jeweils 15 Prozent. Seine Ehefrau Lottelore unterstützte ihn, als aktive Kraft im Unternehmen, in seinen Entscheidungen. Nur zwei Jahre später, 1973, wurde die KG durch Aufnahme einer GmbH als Vollhafterin in eine GmbH & Co. KG umgewandelt. Seine Kinder bedeuteten ihm viel. Nicht umsonst gab es schon zur Geburt des Statthalters Ulrich 1950 für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter ein Pfund Ulli-Kaffee.
Kehr in wirtschaftlichen Turbulenzen
Die Wirtschaftswunderzeiten mit stetigem Wachstum gehörten Ende der 1970er Jahre endgültig der Vergangenheit an. Der Wettbewerb mit anderen Pharmazeutischen Großhandlungen, von denen einige auch in und um Braunschweig angesiedelt waren, wurde schärfer. Es entwickelten sich nach der Einführung der Arzneimittel-Preis-Verordnung ungesunde Rabattschlachten, die auch Kehr in wirtschaftliche Turbulenzen stürzten. Dazu kam, dass die Betriebsstätte in der Blumenstraße nicht mehr den Anforderungen eines modernen Großhandelsunternehmen entsprach. Es wurde immer deutlicher, dass über kurz oder lang zum Überleben Restrukturierungen und ein Neubau notwendig würden. Die wirtschaftlichen Sorgen belasteten Friedrich Wilhelm Kehr bis hin zu gesundheitlichen Problemen erheblich.
Gut vorbereitet mit Lehre und Studium
Während Tochter Annette Kehr (heute Kehr-Burkhardt) Ökotrophologie studierte und ihren eigenen Weg einschlug, folgten die Söhne zielstrebig ihrem Vater in das Unternehmen. So war die Ausbildung von Ulrich und Hanns-Heinrich Kehr auf die Übernahme des Betriebs ausgelegt. Beide studierten nach vorgeschalteter Lehre, Ulrich Pharmazie und Hanns-Heinrich Volks- sowie Betriebswirtschaft. Nach dem Tod ihres Vaters (15. Januar 1982) wurden zunächst Ulrich Kehr und ein Jahr später Hanns-Heinrich Kehr (1983) Geschäftsführer. Sie wussten ihre starke Mutter Lottelore hilfreich an ihrer Seite, die bereits seit 1974 von ihrem Mann mit Prokura ausgestattet worden war und „voll im Geschäft“ stand. Die Kehr-Brüder brachten die Digitalisierung in das Unternehmen – 1982 arbeitete die EDV auf dem ersten Datenbank-Computer.
Millionen-Bürgschaft für den Neubau
Um den für die Zukunft des Unternehmens entscheidenden Schritt hin zum Neubau an der verkehrstechnisch günstig gelegenen Sudetenstraße realisieren zu können, mussten zunächst gordische Knoten gelöst werden. Denn, um das Gebäude an der Blumenstraße verkaufen zu können, waren weichenstellende politische Entscheidungen sowohl bei der Stadt Braunschweig als auch beim Land Niedersachsen erforderlich. Die Stadt kaufte schließlich das Gebäude und das Land mietete es von der Stadt, um die Räume für die Hochschule für Bildende Künste zu nutzen. Um den Neubau finanzieren zu können, benötigten die geschäftsführenden Gesellschafter Ulrich und Hanns-Heinrich Kehr im Alter von 32 und 27 Jahren dennoch eine Landesbürgschaft in Millionenhöhe, die durch persönliche Bürgschaften der beiden Brüder unterlegt werden mussten. Es war eine sehr mutige Entscheidung der jungen Männer, die von der Wirtschaftsförderung der Stadt durch ein günstiges Grundstück wohlwollend begleitet wurde. Ihre Mutter hatte ihnen zudem aus voller Überzeugung und voller Vertrauen den Rücken gestärkt. Sie war bei so mancher Verhandlung als starke Persönlichkeit dabei.
Moderne Logistik auf 13.000 Quadratmetern
Endlich konnte eine moderne effektive Logistik aufgebaut werden: Von der Bestellung bis zur Auslieferung wurde nun alles rechnergesteuert. Am 1. April 1984 kam die Planierraupe zum Grundstück an der Sudetenstraße. 13.000 Quadratmeter hatte Kehr erworben. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ahnten zu diesem Zeitpunkt nichts von den bevorstehenden Umwälzungen. Erst zum Richtfest erfuhr die treue Belegschaft von dem Vorhaben und reagierte begeistert auf den Aufbruch in eine neue Zeit. Schon Weihnachten 1984 wurde die neue Betriebsstätte bezogen. Aus heutiger Sicht war das wohl etwas voreilig, aber aufgrund der Euphorie durchaus verständlich. Eine Zeitlang lagerte noch Ware in der Blumenstraße, die auch vom Neubau Sudetenstraße ausgeliefert wurde. Es wurde unübersichtlich, was alles wo im Lager vorrätig war. Eine Vollinventur Ende Februar 1985 brachte schließlich wieder geordnete Verhältnisse. Im Lagerraum fanden rund zwei Millionen Packungen Platz. Die Bürofläche betrug damals schon 1.700 Quadratmeter.
Filiale Wolfsburg fiel 1985 der Restrukturierung zum Opfer
Der Einzug in den Neubau war der wesentliche Schritt in die Erfolgsspur des Unternehmens. Dennoch musste es weitere geben, um die Restrukturierung abschließen zu können. Der Filialbetrieb in Wolfsburg in der Grauhorststraße war durch die entstandene Autobahnanbindung nicht mehr zwingend erforderlich und der Verkauf des Gebäudes zudem Teil der Finanzierung für das neue Betriebsgelände in Braunschweig. Dort wurden beide Betriebe schließlich im September 1985 zusammengefasst. Betriebsbedingte Kündigungen gab es dennoch nicht. Anfangs wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit dem Bus abgeholt und nach Feierabend auch wieder zurückgefahren. Viele blieben bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Berufsleben bei Kehr, andere fanden bei VW neue Arbeit. Im aufgegebenen Gebäude entstand ein nahversorgender Einzelhandelsbetrieb. Die beiden Mitarbeiterwohnungen wurden bis zu ihrer Pensionierung von Kehr-Mitarbeitern weiter genutzt.
Neue und moderne Großhandelsstrategie
Mit dem Umzug in die neuen Räumlichkeiten gelang von 1986 an die Stabilisierung des Unternehmens. Obwohl es keine konkreten Absprachen gab, kristallisierten sich für die jungen Geschäftsführer Kernbereiche heraus: Ulrich Kehr kümmerte sich überwiegend um die Technik, Hanns-Heinrich Kehr um das Kaufmännische. Die beiden Kehr-Brüder wurden kongeniale Partner. Sie wollten etwas machen aus dem übernommenen väterlichen Betrieb! Ein wesentlicher Grund für den zurückkehrenden Erfolg waren die dank der datenbankbasierten Software optimierten Betriebsabläufe – hierzu leistete der innovationsfreudige, junge EDV-Leiter Jürgen Kark Hervorragendes – und die ausgeprägte Kundenorientierung. Mit Fortbildungs- und Zertifizierungsseminaren, die bis heute für Apotheker und deren Mitarbeiter angeboten werden, entwickelte sich für die Kunden eine bedeutende Dienstleistung, die sie noch enger mit Kehr verbanden. In dem Neubau waren von Beginn an Seminarräume dafür vorgesehen gewesen.
Netzwerk für inhabergeführte Pharma-Großhandlungen
Als eine der treibenden Kräfte erkannten Ulrich und Hanns-Heinrich Kehr früh die Vorteile einer Zusammenarbeit von selbstständigen, inhabergeführten Pharma-Großhandlungen. Aus dem anfänglichen, losen Lübeck Klub, dem zunächst nur fünf Unternehmen angehört hatten, wurde 1984 die Kooperation PHARMA PRIVAT GmbH mit 22 Gründungsmitgliedern. Der konzernunabhängige und herstellerneutrale Zusammenschluss wurde anfangs noch belächelt, als er mit der Kampagne „Wir sitzen alle in einem Boot“ auf dem Apotheker-Tag auftrat. Das änderte sich schnell, denn die kooperierenden Pharma-Großhandlungen wurden, wie Kehr, nicht zuletzt wegen des zentralen Einkaufs zu wettbewerbsfähigen Preisen Marktführer in ihren Vertriebsgebieten. Und von Anfang an haben sie auch die inhabergeführten Apotheken vor Ort durch neue und innovative Serviceleistungen unterstützt und gefördert. Von 1994 bis 2024 war Hanns-Heinrich Kehr Geschäftsführer der PHARMA PRIVAT GmbH. Ulrich Kehr engagierte sich nahezu zeitgleich im Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels als Vorsitzender des Einkaufsausschusses (1992-2020). Sie nahmen beachtlichen Einfluss auf das Marktgeschehen.
Die Rückkehr nach Halberstadt
Die Öffnung der deutsch-deutschen Grenze am 9. November 1989 war Ausgangspunkt einer weiteren bedeutenden Entwicklung der Pharmazeutischen Großhandlung Richard Kehr. Die Kehr-Brüder sind, auch wegen des Ursprungs des Unternehmens in Halberstadt, sehr schnell auf dem Gebiet der DDR mit den Apotheken in Kontakt getreten. Von einigen älteren Apothekern wurden sie mit Freude empfangen: „Ich war schon bei Ihrem Großvater Kunde und möchte wieder Kunde bei Ihnen sein.“ In anderen Apotheken wurden sie kritisch gemustert: „Schon wieder so ein Westanzug“, kündigte eine Mitarbeiterin Hanns-Heinrich Kehr bei ihrer Chefin an. Und ebenso stellte er sich vor und brach das Eis. Auch diese Apothekerin wurde Kundin. Bereits Ende November wurden erste Artikel gegen Ostmark geliefert. Heiß begehrt waren damals unter anderem Salmiakpastillen und Q-Tipps. Bei der ersten Auslieferungstour in die DDR mit dabei zu sein, ließ sich Lottelore Kehr, Mutter der beiden geschäftsführenden Söhne, nicht nehmen. Selbstverständlich füllte sie ihre Rolle als wichtige Persönlichkeit für das Unternehmen Kehr auch in dieser bedeutenden Epoche einmal mehr aus.
Verdoppelung der Lagerflächen notwendig
Die Wiedervereinigung, vor allem die Währungsunion am 1. Juli 1990, stellte die Geschäftsbedingungen zwischen den Apotheken in den nun neuen Bundesländern und Kehr auf solide Füße. Erste Außenstellen für die Auftragsannahme gab es in Haldensleben, Hessen, Dessau, Magdeburg und Halberstadt. Die Bestellungen wurden auf Disketten geschrieben, nach Braunschweig gefahren und noch am Abend zusammengestellt, so dass die Ware am nächsten Tag schon morgens bei den Apotheken sein konnte. Verlässliche Telefonverbindungen gab es noch nicht. Die großen Apotheken in der ehemaligen DDR bestellten große Mengen, weil sie die Mangelwirtschaft der einstigen Versorgungsdepots gewohnt waren. Um die Kunden im ehemaligen Stammgebiet zuverlässig mit allen Artikeln beliefern zu können, musste in Braunschweig die Lagerfläche verdoppelt werden. Kehr kaufte weitere 7.500 Quadratmeter Fläche von der Stadt hinzu. Die Kehr-Brüder gingen in Sachsen-Anhalt mit Fachleuten an ihrer Seite unermüdlich auf Vortragstouren, um zum Gründen selbstständiger Apotheken zu motivieren. Anfangs gab es davon in ganz Sachsen-Anhalt gerade einmal vier. Ulrich Kehr klärte über Warenwirtschaft und Computer auf, Hanns-Heinrich Kehr über betriebswirtschaftliche und steuerliche Voraussetzungen. Sie unterstützten auch finanziell bei Neugründungen, so wie das ihr Vater in Zeiten des beginnenden Wirtschaftswunders auch getan hatte. Das schuf erneut großes Vertrauen, das bis heute hält. Später wurden auch Weiterbildungsreisen in die USA, Schottland, Schweden oder die Schweiz angeboten, die den gemeinsamen Erfahrungshorizont erweitern sollten und das Verhältnis zu den Kunden weiter verbesserten.
Transportlogistik ausgelagert
Durch das enorm erweiterte Geschäftsgebiet musste der Kehr-Fuhrpark stetig anwachsen. Um die erforderlichen Auslieferungsfahrten von Braunschweig aus termingerecht bewerkstelligen zu können, waren Anfang der 1990er Jahre schon 80 Lieferwagen unterwegs. Rund 200 Auslieferungsfahrten mit teilweise erheblichen Distanzen mussten tagtäglich absolviert werden. Bereits Ende 1990 wurde die Pharmatrans Transport GmbH Magdeburg gegründet, die mit Subunternehmern arbeitete. 1998 wurde die inzwischen umfirmierte Gesellschaft „City Cargo Termingut GmbH“ nach Braunschweig verlegt. Als Tochterunternehmen der Firma Kehr ist die City Cargo verantwortlich für die Transportlogistik der pharmazeutischen Großhandlung, fährt darüber hinaus aber auch für weitere Unternehmen.
Die Kehr Holdermann GmbH & Co KG entsteht
Im Jahr 2003 übernahm Kehr die Holdermann GmbH Dessau mehrheitlich. Aus der Holdermann GmbH wurde gemeinsam mit dem Gründer Stefan Holdermann die Kehr Holdermann GmbH & Co KG. Bis dahin hatten sich die beiden Unternehmen das Liefergebiet in Sachsen-Anhalt geteilt, Kehr den Norden, Holdermann den Süden. Die Familie Holdermann hatte 1990 die erste vollversorgende Arzneimittelgroßhandlung der neuen Bundesländer in Dessau gegründet. Hintergrund war die Städtepartnerschaft zwischen Dessau und Ludwigshafen gewesen, wo Holdermann mit Stammsitz in Baden-Baden ebenfalls einen Betrieb unterhalten hatte. Zur Entwicklung des Standortes in Sachsen-Anhalt hatte die Familie Stefan Holdermann entsandt. Nach dem Zusammenschluss im Jahr 2003 wurde er neben Ulrich und Hanns-Heinrich Kehr dritter Geschäftsführer. Beide Familien waren befreundet, so dass die Fusion ohne Reibungsverluste vonstattenging. Die in die Jahre gekommene Lagerhalle in Dessau drohte schon bei Übernahme aus allen Nähten zu platzen, und das war ein stetes Hindernis für wirtschaftlichen Erfolg. Deswegen war eine neue Lagerhalle mit moderner, computergesteuerter Technik unerlässlich. 2006 wurde sie eingeweiht. Die Investition ist seither Garant für den pharmazeutischen Großhandel in Sachsen-Anhalt.
Hochgeschwindigkeitsroboter kommissionieren
Das Joint Venture in Dessau war auch das Sprungbrett nach Berlin. Dem ersten Außendienstmitarbeiter gelang es schnell, rund 100 Kunden in der Bundeshauptstadt zu akquirieren. Die Kehr Holdermann GmbH & Co KG war der erste Privatgroßhändler am Ort. Gleichzeitig hatte auch ein Außendienstmitarbeiter von Braunschweig aus 50 Apotheken angeworben. Die neuen Anbieter wurde mit offenen Armen empfangen, weil die Verbindung zwischen privaten Apothekern und privatem Großhandel verlässlich ist.
Das Wachstum auf dem Kernmarkt erforderte zeitgleich auch am Standort Braunschweig weitere Investitionen, um mit der Expansion auch organisatorisch Schritt halten zu können. Von 2004 bis 2007 wurde neue Kapazitäten geschaffen und modernste Lagertechnik integriert.
Das bestehende Lager wurde zweigeschossig aufgestockt. Auf nunmehr drei Etagen werden die Medikamente gelagert. Kommissioniert wird zu über 60% Prozent automatisch, der Rest per Handscanner. Eingelagert wird automatisch mittels sechs Meter hohen Hochgeschwindigkeitsrobotern in Durchlaufregale. Im gleichen Zeitraum bekam auch Dessau eine zusätzliche Lagerhalle mit den gleichen Kommissionierautomaten wie in Braunschweig.
In einem zweiten Schritt wurde auch die Verwaltung beider Standorte mit Einkauf, Personalabteilung, Buchhaltung und EDV-Abteilung in einem weiteren neuen Erweiterungsbau in Braunschweig zentralisiert. Darin wurden auch moderne Seminarräume für Fortbildungen geschaffen.
Es waren turbulente Jahre mit mutigen Investitionen von insgesamt über 10 Mio. € in die Zukunft, die sich auszahlen sollten.
Mit Rationalisierung gegen die Krise
Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz wurde vom Bundestag am 22. Dezember 2010 beschlossen und trat nur wenige Tage später zum Jahresbeginn 2011 in Kraft. Das politische Ziel war es, die steigenden Arzneimittelausgaben der gesetzlichen Krankenkassen einzudämmen. Die Handelsspanne für die pharmazeutischen Großhändler wurde dabei erheblich reduziert. Wie für die gesamte Branche begannen auch für die Richard Kehr GmbH & Co.KG schwierige wirtschaftliche Zeiten. Für das Gesamtjahr erwartete der Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels eine Margeneinbuße von 200 Millionen Euro. Der aufkommende Versandhandel über das Internet erhöhte den Druck zusätzlich. Während viele Pharmagroßhändler fusionierten, auch mit Unternehmen aus dem Ausland, schaffte es Kehr trotz der Branchenkrise und des hohen Konkurrenzdrucks dank stringenter Rationalisierung als privater Großhändler Kurs zu halten.
Berlin wird das dritte Standbein
Eigentlich war zunächst lediglich eine Zusammenarbeit mit einer neu gegründeten Berliner Apothekengenossenschaft geplant, doch die Gespräche blieben erfolglos. Der Verbund von Apotheken schaffte es nicht lange auf eigenen Beinen zu stehen und musste 2012 Insolvenz anmelden. Aus der Insolvenzmasse heraus kaufte Kehr das Warenlager und die Betriebseinrichtung in Berlin Ludwigsfelde. In Berlin/Brandenburg gelang so schnell weiteres Wachstum. Am 1. Juli 2013 wurde der zwischenzeitlich eingestellte Betrieb wieder aufgenommen. In wenigen Monaten kamen gut 100 Apotheken als Kunden für den Start hinzu, die Kehr bis dahin aus Dessau und Braunschweig beliefert hatte.
Das sollte ein bedeutender Schritt zur Weiterentwicklung der Unternehmensgruppe Kehr mit der Gründung des dritten Betriebs in Berlin im Jahr 2013 werden. Geschäftsführer der Kehr Berlin GmbH & Co. KG wurden neben Ulrich und Hanns-Heinrich Kehr auch Stefan Holdermann.
Millionen Investition in Berlin
2020 startete Kehr ein mittleres siebenstelliges Investitionsprogramm. Modernste Kühllogistik, Steuerungssoftware und Kommissionierungsautomaten wurden am Standort in Ludwigsfelde installiert. Die Berliner Niederlassung wurde so in puncto Qualität und die Effizienz der Dienstleistungen ein Vorzeigebetrieb. Die Investitionen lohnten sich: Das Berliner Umsatzwachstum überkompensierte die Stagnation im regionalen Braunschweiger Markt. Heute ist das Berliner Standbein ebenso stark wie das Braunschweiger.
Ulrich Kehr verlässt die Geschäftsführung
Nach 40 Jahren im Amt schied Ulrich Kehr 2020 aus Altersgründen aus der Geschäftsführung des Unternehmens aus. Er bleibt Gesellschafter der Richard Kehr GmbH & Co. KG. Gemeinsam mit seinem Bruder Hanns-Heinrich hatte er die Geschicke des Betriebs nach dem Tod des Vaters sehr erfolgreich gelenkt. An seine Stelle trat Thomas Linsenmaier, der bereits 2019 in die Braunschweiger Geschäftsführung kam, um einen nahtlosen Übergang zu gewährleisten. Er verantwortet seither die Bereiche Qualitätssicherung und Technik für alle drei Standorte der Kehr Gruppe in Braunschweig, Berlin und Dessau. Weitere Geschäftsführer sind unverändert Hanns-Heinrich Kehr und Stefan Holdermann.
Sicherer Transport dank eigener Kartonage
Corona stellte den pharmazeutischen Großhandel vor besondere Herausforderungen, sorgte bei ihnen aber auch für einen erheblichen Ertragsschub. Ende Januar 2020 wurde der erste Fall in Deutschland bekannt, und es begannen aufregende Zeiten mit zwei Lockdowns und zig millionenfachen Impfungen der Bevölkerung. Die Impfstoffversorgung wurde nicht über das gesetzliche Arzneimittelbudget abgerechnet und ermöglichte so dringend erforderliche höhere Margen. Die Impfstoffe wurden von den Herstellern BioNTech/Pfizer, Moderna und AstraZeneca auf minus 80 Grad heruntergekühlt angeliefert. Für den Weitertransport mussten sie bei den Pharmagroßhändlern im Bereich von 2 bis 8 Grad aufgetaut und in erschütterungsfreien Verpackungen ausgeliefert werden. Die speziellen Kartonagen hatte Kehr selbst in Auftrag gegeben und realisierte so die sichere GMP- und GDP-gerechte Logistikkette. Viel Zeit zur Vorbereitung blieb der ganzen Branche nicht, denn nicht einmal 14 Tage vorher hatte sich der Gesundheitsminister Jens Spahn erst für den Vertriebs- und Logistikweg über Pharma Großhandel > Apotheke > und impfenden Arzt entschieden.
Jahresumsatz wurde versechzehnfacht
Mit einem Sortiment von etwa 100.000 Artikeln, über 350 Mitarbeitern, einem Umsatz von rund 800 Millionen Euro sowie drei modernen Niederlassungen gehört die Kehr GmbH & Co.KG zu den großen privaten Pharmagroßhändlern. 44 Jahre nach der Übernahme des elterlichen Betriebs haben Ulrich und Hanns-Heinrich Kehr den Umsatz von 95 Millionen D-Mark im Jahr 1980 auf im Jahr 2024 erwartete 800 Millionen Euro mehr als versechzehnfacht. Statt anfangs 230 gehören heute mehr als 1.200 Apotheker zu den Kunden der Gruppe – mehr als die Hälfte davon aus den neuen Bundesländern.
Für die Zukunft ist die Richard Kehr Gruppe gut aufgestellt. Dank des eShops und der vielen anderen digitalen Angebote für die Apotheken ist das Unternehmen gerüstet für den zu erwartenden Schub durch die Einführung des e-Rezepts. Innerhalb von drei Stunden können alle Medikamente an die Apotheken ausgeliefert werden. Somit können Ihre Patienten schneller versorgt werden als jeder Versandhandel das könnte – selbst wenn das benötigte Medikament erst über den Großhandel bestellt werden muss. Größter Pluspunkt bleibt aber der persönliche Kontakt zu den Kundinnen und Kunden. Zur Zukunftsfähigkeit des Unternehmens zählt zudem, dass die Auslieferungsflotte mehr und mehr auf E-Mobilität umgestellt wird. Die Energie dafür wird von der firmeneigenen Photovoltaik-Anlage produziert. Ausführliche Informationen zu unserem Beitrag zum Schutz unserer Umwelt gibt es unter kehr-goes-green.de
Die vierte Generation steht bereit
Mittlerweile deutet sich der nächste Generationenwechsel an. Mit Felix Kehr, Sohn von Hanns-Heinrich Kehr, steht die vierte Familiengeneration bereit, Führungsverantwortung zu übernehmen. Felix Kehr ist aktuell im Unternehmen als Projektmanager tätig. Er studierte Wirtschaftsingenieurwesen und Wirtschaftswissenschaften. Zu dem kann er auf Eindrücke aus Auslandsaufenthalten und Tätigkeiten in verschiedenen Unternehmen zurückblicken und ist gut auf seine anstehende Aufgabe vorbereitet.